Unser Kreisrat Rolf Seifert hat auf der Demonstration gegen die anstehende Klinikschließung in Breisach einen Redebeitrag gehalten. Für alle die nicht vor Ort sein konnten haben wir ihn hier noch einmal veröffentlicht:
„Hallo zusammen,
ich darf euch auch alle begrüßen. Mein Name ist Rolf Seifert und ich bin Mitglied der Linken Liste Solidarischer Breisgau Hochschwarzwald und Kreisrat im Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald.
Schön dass ihr alle gekommen seid. Schön, dass ihr so zahlreich gekommen seid.
Weniger schön der Anlass: die Helios GmbH, Tochter des börsennotierten Fresenius-Konzerns, will unsere Helios-Rossmann-Klinik an die Wand fahren.
Bereits zum 1.1.2026 soll die Notaufnahme geschlossen werden und zum 30.Juni 26 soll der Klinikbetrieb voll abgewickelt werden.
Ihr alle seid heute hier zur Kundgebung zusammengekommen, um diesem Ansinnen, diesem Anschlag auf unser regionales Gesundheits- und Notfallsystem lautstark unsere Meinung zu sagen: Hände weg von unserem Krankenhaus !!!
Keine Schließung der 24/7 Notaufnahme !!!
Wie konnte es soweit kommen.
Ich möchte kurz etwas weiter ausholen. Der Grundstein zu allem wurde in den 1990er Jahren gelegt.
Seit dort dürfen In Deutschland Krankenhäuser Gewinne erzielen. Dies geschieht durch die Einführung von sog. Fallpauschalen, das pauschal und nach einheitlichen Preisen für die Behandlung von Patienten bezahlt.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Krankenhäuser dürfen Gewinne machen. Man stelle sich mal vor, jemand käme auf die Idee, dass Polizei und/oder Feuerwehr Gewinne machen dürfen. Und nach Fallpauschalen bezahlt würden.
Und dann würde vielleicht eine privatisierte Polizeistation sagen, den Tatbestand Raubüberfälle können wir nicht mehr verfolgen, dafür ist die Fallpauschale zu knapp bemessen. Oder eine privatisierte Feuerstation würde sagen, Brände in Einfamilienhäuser können wir nicht mehr löschen. Das gibt die diesbezügliche Fallpauschale nicht her.
Aber Krankenhäuser dürfen Gewinne machen.
Das war natürlich das Einfallstor für finanzstarke Konzerne, die Profitpotential für ihre Aktionäre witterten. Und da die Fallpauschalen sehr ungleich verteilt sind, so „rentiert“ sich eine Kinderabteilung nicht, wohl aber orthopädische Abteilungen, so verwundert es eigentlich niemand, dass Kliniken in privater Trägerschaft kaum mehr Kinderabteilungen haben, dafür aber umso mehr orthopädische. Dem Gemeinwohl ist damit nicht gedient, sehr aber den Profitinteressen der Aktionäre. Profite, die aus den Beitragszahlungen der Versicherten gespeist werden!!! Ihr bezahlt letztendlich mit euren Krankenkassenbeiträgen die Dividenden der Aktionäre.
Dafür darf man aber die Konzerne nicht kritisieren, Sie sind nach dem Aktiengesetz sogar verpflichtet, den höchstmöglichen Reibach für ihre Aktionäre zu erwirtschaften. Deshalb haben auch private Träger im Gesundheitssystem nichts verloren. Die Kritik muss sich an die Politik richten, die mit ihren Gesetzen diese Praktiken erst ermöglicht. Gesundheit ist keine Ware.
Was man Helios und insbesondere ihrem Geschäftsführer, Herr Sleifir, aber vorwerfen muss, ist, dass er die Bevölkerung, die Beschäftigten und die Kreispolitik immer wieder, so würde ich es mal ausdrücken, hinters Licht geführt hat.
Beweis dafür ein Interview mit der Badischen Zeitung am 23. August 2023. Überschrift: Helios-Geschäftsführer: „Niemand muss sich Sorgen machen“
Auf die Frage: Welche Stimmung nehmen Sie denn dann beim Klinikpersonal wahr?
Antwortete er u.a. „Wir haben bereits Mitarbeiterversammlungen organisiert, um offen über Herausforderungen und Sorgen zu sprechen. Da war es ganz wichtig, von mir zu hören, dass keiner der Standorte geschlossen werden wird.“ Das war vor gut 2 Jahren!!!!
Und auf die Frage: Wie sehen Sie denn die drei Klinikstandorte aufgestellt? Kam u.a. die Antwort:
„Und wenn Sie sich die zurückliegenden Geschäftsberichte anschauen, dann war Helios insgesamt in den vergangenen Quartalen ganz gut. Was das medizinische Versorgungsangebot in der Region angeht, wird es keine Überraschungen geben. Jede unserer drei Kliniken funktioniert für sich mit ihrem Angebot an ihrem Standort gut – aber auch als Cluster insgesamt. Große Anpassungen brauchen wir daher nicht, aber auch wir werden unsere medizinische Angebotsstrategie ständig überarbeiten und auf die Bedürfnisse der Region anpassen, so werden wir zum Beispiel die geriatrische Versorgung an allen drei Standorten konsequent ausbauen. Damit haben wir bereits begonnen.“
Weitere Frage: Das klingt ein wenig so, als ob Sie die anstehende Klinikreform kalt lässt?
„Den Fokus der Flexibilisierung der stationären Versorgung sowie die Schwerpunktbildung begrüßen wir ausdrücklich, was letztendlich unsere eingeschlagene Strategie der Schwerpunkt- und Clusterbildung bestätigt. Hier in der Region muss sich niemand über die medizinische Versorgung Sorgen machen. Deswegen bleibe ich relativ gelassen.“
Helios beteuert plötzlich nun, dass die Breisacher Klinik aus wirtschaftlichen und personellen Gründen nicht mehr tragbar sei. Wie passt das wirtschaftlichen Argument zu der Aussage von vor 2 Jahren. „Und wenn Sie sich die zurückliegenden Geschäftsberichte anschauen, dann war Helios insgesamt in den vergangenen Quartalen ganz gut.“
Zu den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen seiner Kliniken äußert sich Helios jedenfalls nicht.
Und Personalmangel? Vor ca. 2-3 Jahren wurden die Zeitverträge von 2 Assistenzärzten nicht bzw. nur als Halbtagskraft verlängert. Nur ein Beispiel für hausgemachten Personalmangel.
Für Beschäftigte von Helios gab es eine Corona-Prämie: einen 5-€ Gutschein bei Zalando. Und als Urlaubsgeld eine Packung Sonnencreme: Deutlicher kann man der Belegschaft nicht sagen, wie wenig man sie wertschätzt.
Lassen Sie mich noch einmal kurz zur Politik zurückkommen. In Berlin wurde das „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ beschlossen.
Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, das muss man sich auf der Zunge vergehen lassen. Allein das Wort ist für mich der kürzeste Witz. Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz.
Ziel: kleine Krankenhäuser zu schließen und große Gesundheitszentren aufzubauen. Aber es erlaubt in seiner neuesten Fassung, dass Bundesländer Ausnahmen von den starren Regeln machen können, wenn kleine Kliniken regional für die Versorgungssicherheit wichtig sind.
Ein Beispiel: Wolfach.
Sehr geehrter Herr Lucha: Machen Sie auch für die Klinik in Breisach eine Ausnahme von den starren Bundesregeln, denn auch wir brauchen hier in Breisach ein Krankenhaus der Grund- und Regel-sowie Notfallversorgung. Die Gründe haben ja meine Vorredner schon ausführlich beschrieben.
In einem gemeinsamen Statement, so ist in der gestrigen BZ Ausgabe zu lesen, erkennen zahlreiche Bürgermeister der Region „eine erhebliche Lücke in der Versorgung“, falls die Klinik geschlossen und es keine stationäre Notfallversorgung mehr gäbe.
Wörtlich: „Angesichts einer möglichen Schließung sehen wir es daher als unsere gemeinsame Verantwortung, alles Notwendige zu unternehmen, um auch künftig eine leistungsstarke und bedarfsgerechte gesundheitliche sowie medizinische Versorgung im Raum Breisach – Kaiserstuhl – Tuniberg sicherzustellen.“
Das ist löblich, doch es wäre so viel wichtiger gewesen, wenn die Bürgermeister der Region sich bereits im Vorfeld, als abzusehen war, was der Helios Konzernmit der Breisacher Klinik im Schilde führtt, sich vehement und lautstark für den Erhalt der stationären Notfallversorgung und der Klinik eingesetzt hätten. Für die Bevölkerung der Region, für die Bürger, die sie ja auch gewählt haben und damit ihnen ihr Vertrauen geschenkt haben.
Und der Kreistag? Immerhin gehört die Klinik zu 26% dem Kreis. Auch vom Kreistag war lange, viel zu lange nichts zu hören. Zumindest nichts öffentlich. Nichtöffentlich wurde über Lage und Perspektiven der Klinik berichtet. Nichtöffentlich, mit der strikten Aufforderung, ja nichts nach außen dringen zu lassen. Ein Maulkorb für alle Kreisräte.
Das war für mich unerträglich. Denn ich sehe meine Aufgabe als Kreisrat, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken und offen mit ihr zu kommunizieren. Und natürlich war vielen klar, da tut sich was in der Klinik. Aber als ich gefragt wurde, wie es um die Klinik bestellt ist, durfte ich nichts sagen, durfte ich der Bevölkerung nichts über die bedrohliche Lage der Klinik mitteilen, Maulkorberlass.
ch sehe das als Vertrauensbruch, praktisch als Lüge an, der mich äußerst erschüttert hat, so dass ich zeitweise sogar darüber nachdachte, mein Kreisrat Mandat niederzulegen.
Denn es gibt ja auch noch die Beschäftigten in der Klinik, die man im Unklaren über die Zukunft der Klinik ließ. Die sich natürlich Gedanken über die Zukunft der Klinik und damit auch über ihre berufliche Zukunft machten. Auch die ließ man im Ungewissen durch diese intransparente Informationspolitik.
Wie sagte doch Dirk Sattelberger in seinem Kommentar am 4.Oktober in der BZ: „Diese Geheimnistuerei verstärkte das ohnehin vorhandene Misstrauen. Dass die Breisacher Klinik schließen soll und dies insbesondere zu Lasten von Geriatrie Patienten und Notfällen geht, ist schlimm genug. Die Kommunikation darüber hat es noch schlimmer gemacht“.
An dieser Stelle sollten wir auch mal den Beschäftigten der Klinik unseren großen und herzlichen Dank aussprechen für ihren tollen Einsatz und für ihr Engagement trotz widrigsten Umständen.
Und wie geht es weiter? Im November wird im Kreistag über die Schließung der stationären Notaufnahme und der Klinik abgestimmt. Noch gibt es also die Möglichkeit, diesen Anschlag auf die regionale Versorgungssicherheit zu verhindern.
Es braucht dazu nur den politischen Willen.
Deshalb rufen wir allen politisch Verantwortlichen zu:
Genug ist genug.
Hände weg von unserem Krankenhaus.
Gesundheit ist keine Ware.
Vielen Dank“