Rede unserer Kreisrats Rolf Seifert zur CDU-Resolution

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es geht hier um eine sog. Resolution des Kreistags zum BTHG auf Antrag der CDU-Fraktion. Sie richtet sich wohl in erster Linie an die Landes- bzw. Bundesregierung. Ich würde es mal als einen Appell bezeichnen, bei dem es um Eingliederungshilfe und Bundesteilhabegesetz (BTHG) geht.

Eingliederungshilfe ist eine Sozialleistung nach dem SGB IX, die Menschen mit Behinderungen ermöglichen soll, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben.

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) hat die Eingliederungshilfe grundlegend neu geregelt.

Das Bundesteilhabegesetz ist ein umfassendes Gesetz zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen. Es soll mehr Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, indem es die Eingliederungshilfe reformiert. Wichtige Ziele sind dabei die Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und eine Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen.

Das Gesetz setzt auch die UN-Behindertenrechtskonvention auf nationaler Ebene um und wurde schrittweise bis 2023 eingeführt.

Zu den einzelnen Forderungen des Appells:

Zu Punkt 1 der Forderungen:

Die bundesweite Einheitlichkeit, da geht es um hauptsächlich Bürokratieabbau, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Nicht um substanzielle Aspekte. Nur sollte der Klarheit willen ergänzt werden, für was die „bundesweit einheitliche Leistungs- und Vergütungssystematik“ gelten soll. BTHG?, Eingliederungshilfe? Ansonsten kann ich da voll und ganz zustimmen.

Zu Punkt 2 der Forderungen:

Versorgungsverpflichtung im SGB IX:

In der Vorlage steht,

„Der Sicherstellungsauftrag nach § 95 SGB IX verpflichtet die Rehabilitationsträger, so auch den Landkreis als Träger der Eingliederungshilfe, dafür zu sorgen, dass Leistungen zur Teilhabe für Menschen mit (drohender) Behinderung wirksam, wirtschaftlich, rechtzeitig und bedarfsgerecht erbracht werden.“

 Dazu ist der Landkreis durch den Kontrahierungszwang gezwungen. Diese Leistungen muss der Leistungsträger selbst erbringen oder er muss einen Leistungserbringer suchen (freier Träger). Ein solcher Leistungserbringer kann aber nicht gezwungen werden, eine bestimmte Leistung zu erbringen. Für Ihn gilt kein Kontrahierungszwang, sondern gesetzlich garantierte Vertragsfreiheit. Es kann zum Beispiel auch kein Discounter gezwungen werden, in einer bestimmten Gemeinde einen Laden zu eröffnen. Deshalb sehe ich diesen Punkt sehr kritisch, ich halte ihn sogar für gesetzeswidrig.

Zu Punkt 3 der Forderungen: Gerechte Ressourcenverteilung.

Hier stolpere ich schon über den Begriff „Gerechte“. Wer entscheidet denn, was gerecht ist? Ich würde vorschlagen, der Sozialverband VdK Deutschland.

Ich schlage folgende Forderung vor:

Bund und Land müssen tätig werden, um die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen in der Eingliederungshilfe zu schaffen – auch durch gezielte Investitions- und Ausbildungsprogramme.

Denn es darf nicht sein, dass Nöte und berechtigte Ansprüche von Menschen mit Behinderung, die eigentlich größtmögliche Unterstützung der Solidargemeinschaft benötigen, gegeneinander ausgespielt werden, während Reiche und Superreiche in unserem Land finanziell gepampert werden.

Punkt 4 der Forderungen: Grundlegende Überprüfung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)

Hier soll nun grundlegend in das BHTG eingegriffen werden, quasi durch die Hintertür Sozialabbau betrieben werden. Ich finde es schon fast schamlos, weil es Menschen mit Behinderung betrifft, die zu schwächten Gruppen unserer Gesellschaft zählen. Dort sparen zu wollen, finde ich im höchsten Maße unsozial.

Und es ist in Klammern sogar von einer vollständigen Aufhebung des BTHG die Rede, die zwar nur auf Bundesebene umsetzbar sei; das Land kann hier jedoch eine aktive Rolle einnehmen kann. Vollständige Aufhebung des BTHG also, mit dem u.a. die UN-Behindertenrechtskonvention auf nationaler Ebene umgesetzt wird?

Wie gesagt, Unterstützung für Punkt 1- Entbürokratisierung, aber nicht für Punkt 4:  Sozialabbau.

Zudem beträfe dies auch nicht die Finanzen des Landkreises, wenn wie es das Konnexitätsprinzip unmissverständlich fordert, das Prinzip umgesetzt würde, wer bestellt bezahlt.

Dann komme ich schon zu dem letzten Punkt der Forderungen: Finanzielle Verantwortung des Landes Baden-Württemberg

Dem kann ich nur zustimmen, wenn der einleitende Halbsatz „Solange eine grundlegende Reform des BTHG nicht erfolgt,“ gestrichen wird. Denn die vollständige Erstattung der Kosten muss immer nach dem Konnexitätsprinzip erfolgen.

Apropos Konnexitätsprinzip:

Bei der Einreichung des Haushalts Ende letzten Jahre bezifferte Landrat Dr. Ante das eingeplante negative ordentliche Ergebnis für 2025 auf ca.19 Millionen€. Und erklärte, dass dieses Delta im Wesentlichen auf die massive Verletzung des Konnexitätsprinzips seitens des Landes beruht.

Ich habe mehrfach die Verwaltung gebeten, genau aufzuschlüsseln, wo in welchen Bereichen und in welcher Höhe das Konnexitätsprinzip verletzt wird. Mir wurde mitgeteilt, das sei zu aufwändig, da einzelne Aufgaben und die zur Erledigung notwendigen Personal- und Sachkosten nicht sauber getrennt werden können. 

Im Haushaltsplan 2025 habe ich jetzt gefunden, dass die geschätzten BTHG-bedingte Mehrausgaben 9,6 Mio. € betragen, von denen das Land sicher 8,4 Mio. € aus Konnexitätsgründen übernehmen wird.

Das Delta beträgt hier demnach „lediglich“ 1,2 Mio. €. Wenig im Vergleich zu der von Dr. Ante erwähnten massiven Verletzung des Konnexitätsprinzips. Nichtsdestotrotz sollte auch hier auf die Einhaltung des Konnexitätsprinzips gedrängt werden.

Noch ein paar Bemerkungen zur Fiskalische Entwicklung im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Der Anteil Eingliederungshilfe (ca. 37 Mio €) am Gesamtergebnishaushalt (250 Mio €) betrug im Jahr 2015 rund 14,76%, und das war vor Einführung des BTHG

Dieser Anteil schwankte im Laufe der Jahre zwischen knapp 15% und 12,5%.
Laut Hochrechnung liegt er nun für das Jahr 2025 bei 14,2%, also durchaus im durchschnittlichen Mittel der letzten Fahre. Jedenfalls noch unter dem Anteil von 2015, als es noch kein BTHG gab. Daraus kann also logisch geschlossen werden, dass der BTHG kein Kostentreiber bei der Eingliederungshilfe ist.

Die Eingliederungshilfe selbst ist von 2015 bis 2025 um 98,4% gestiegen, der Gesamthaushalt aber im selben Zeitraum um 107,5%. Das zeigt doch deutlich, dass die Eingliederungshilfe auch kein Kostentreiber des Haushalts ist

Deshalb soll, so ist meine feste Überzeugung, mit dieser Resolution Vorschub für einen Sozialabbaugerade auf dem Rücken der Schwächsten, der Menschen mit Behinderung, betrieben werden soll. Dem kann und werde ich auf keinen Fall und in keinster Weise zustimmen.